Was ist Die Einheit?

#1 von Bir Sofist(Sofist) ( Gast ) , 12.02.2011 17:06

Über Einheit und Liebe im Islam
Wir müssen alle Leute eins mit uns werden lassen. Der Prophet Mohammad hat dies uns erklärt, doch einige, die auf diese Welt kamen, haben diese Botschaft Allahs vergessen. Wir müssen lernen, unsere Trennung wegzuwaschen und wieder eins zu werden. Das ist wirklicher Islam.

(Bawa Muhaiyaddeen)



Über Jahrhunderte kämpfte das jüdische Volk der vorchristlichen Zeit in kriegerischen Auseinandersetzungen um ihr Bestehen als auserlesenes Volk. Dann waren es die Christen und Moslems, die gewaltsam um die Macht im Orient und namentlich auch Jerusalem kämpften. Immer wurden religiöse Motive in den Vordergrund gestellt, um die wahren Gründe der Machtausbreitung zu verdecken. Der "Heilige Krieg" ist keine islamische Erfindung, und das Verdrehen der Interpretation religiöser Schriften und Aussagen zu egoistischen Zwecken ist ein seit Anbeginn existierendes menschliches Problem.

Die drei abrahamischen Religionen - das Judentum, das Christentum und der Islam - sind eng miteinander verwandt und von gemeinsamen Propheten gestiftet. Der zentrale Kern aller prophetischen Botschaften ist derselbe: die Einheit, und als Folge davon die Liebe als Ausdruck dieser Einheit.

Moses brachte Gesetze, die es dem Menschen erlaubten, das Prinzip "Liebe" in die Tat umzusetzen. Das Gebot "Du sollst deine Nächsten lieben wie dich selbst" stammt nicht von Jesus, sondern aus den Gesetzen der Juden (Buch Levitikus in der Tora, 3. Buch Moses 19.18). Jesus wies lediglich auf dieses bestehende wichtige Gesetz hin, und er war sehr klar als er sagte: Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird gross sein im Himmelreich. (Mt 17-19). Mit der Liebesbotschaft Jesu wurden die überlieferten Gesetze nicht annulliert.

Hz. Jesus verwies also eindeutig auf bereits offenbarte Gesetze Gottes. Die aus einem Konglomerat von christlichen Gemeinden und Diözesen entstandene christliche Kirche übernahm dann auch vieles aus der jüdischen Tradition und machte sie zu eigen. Damit entstand eine Konkurrenz zum Judentum, die bald sehr mächtig wurde und zu Konflikten führte, die noch heute nicht gelöst sind. Im 7. Jahrhundert musste dann der Prophet Mohammed mittels der ihm eingegebenen göttlichen Botschaft wieder darauf hinweisen, dass es weder Exklusivität noch irgend einen Besitz der Wahrheit gibt. Der durch sein Wirken entstandene Islam setzt den einzelnen Menschen mit seiner individuellen geheimen Verbindung zu Gott ins Zentrum des religiösen Handelns. Aus weltlicher Sicht entstand so quasi eine Synthese aus jüdischer Gesetzesgäubigkeit und dem individuellen Ausdruck christlicher Liebe zum Nächsten.

Doch auch diese Klarstellung durch Hz. Mohammed konnte den Missbrauch der Religion zum Zweck der Macht nicht verhindern. In allen drei abrahamischen Religionen liegt - abgesehen vom allgemeinen Hang des Menschen zum Oportunismus – eine wesentliche Ursache des Übels darin, dass Empfehlungen von Propheten, Heiligen und Glaubensführern zum unumstösslichen Gesetz erklärt werden, statt sich im Kontext des damaligen Geschehens zu verstehen. Mit zementierten Interpretationen wird von den führenden Kräften in einer Gesellschaft der Schwerpunkt der Religiosität vom Individuum in die Gemeinschaft verschoben. Das individuelle Ringen um den rechten Weg und Glauben macht einem gesellschaftlichen Ordnungsdenken Platz, das mit dem Fortschritt der Gesellschaft ständig mit Alterserscheinungen zu kämpfen hat. Die anschliessenden Ausführungen über Islam wollen unter anderem den Wert des Individuums im Islam hervorheben.

Der Kern aller abrahamischen Religionen ist die Einheit allen Seins in Gott und der spezielle Status des individuellen Menschen in der Schöpfung. Hz. Moses überbrachte einheitliche, für jeden Menschen gültige Gesetze; Hz. Jesus warb für das Handeln in Liebe, was nur im Gefühl des Zusammengehörens in der Einheit möglich ist; und Hz. Mohammed wies wieder und wieder direkt und klar auf die Einheit allen Seins in Gott hin. Aus dem Empfinden des Einsseins mit den anderen Menschen und Geschöpfen kann Liebe fliessen.

Liebe ist - auf einen Nenner gebracht - nichts anderes als der Drang nach Einheit. Liebe ist eine Kraft, die aus unserer inhärenten Sehnsucht nach der ursprünglichen Einheit allen Lebens entsteht. Und Islam will nichts anderes, als diese ursprüngliche Einheit anstreben, um den Zweck der Schöpfung zu erfüllen, so wie er treffend formuliert wird im Ausspruch (Hadîth qudsî): Ich war ein verborgener Schatz und sehnte Mich danach, erkannt zu werden; also erschuf Ich die Welt, auf dass Ich erkannt würde.

Wie die Schöpfung entstand, können wir nicht wissen, sondern höchstens erahnen. Aus der Einheit musste die Zweiheit entstehen. Erst das Bestehen der Zweiheit macht Erkennen möglich und bewirkt, dass ein Erkennender und ein Erkannter existieren können. In Bildern über die Schöpfung wird eindrücklich beschrieben, wie die Schlange genau dort existierte, wo der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen stand. Satan war ursprünglich im Paradies und Teil des Ganzen, bis der Fall Adams geschah. In der Kabbala wird vom "Bruch der Gefässe" gesprochen, der entstand, als Gott der Allumfassende sich in einem ersten Ruck in sich selbst zurückzog und damit so quasi Platz machte, dass ein "Gegenüber" entstehen konnte: auf der einen Seite steht Gott unser Herr (Al-Rabb), auf der anderen das, was wir traditionell Satan nennen. Doch Gott der Allumfassende (Allah) ist grösser (Allahu akbar).

Mit dem Bestehen der Zweiheit war auch die Liebe, die Sehnsucht nach der Einheit geboren, und aus dieser Kraft der Anziehung wurde etwas weiteres möglich: aus der Zwei entstand die Drei, die erste Manifestation, und aus ihr die "Zehntausend Dinge". (Die Eins ist nicht erkennbar, und die Zwei ist unstabil, bis das Dritte da ist.)

Gott erschuf diese Welt für den Menschen, und es ist nur durch das Menschsein, dass die Schöpfung Erlösung findet und die paradiesische Einheit wieder zustande kommt. Das Wachsen des menschlichen Bewusstseins, das Gehen auf dem "Rechten Weg", ist der Erlösungsprozess.

Als Adam noch als "Vollkommener Mensch" (Insan Kamil) im einheitlichen Paradies war, strahlte – so wird es im Islam überliefert - das "Licht Mohammeds" (Nur Mohammad) aus seiner Stirn. Dieses Licht ist Ausdruck der Schönheit und Qualitäten der Wirkkräfte Gottes in dieser Welt (wilayat). Es war von Anbeginn der Zeit da und barg Inhalte des "himmlischen Korans" (litterarisch heisst Koran "die Schrift, die Rezitation"). Der Engel Gabriel empfing dieses Licht, und durch ihn floss es weiter in Form von Eingebung - oder besser: Einverleibung - in den physischen Hz. Mohammed, der es als Botschaft in die Welt setzte und in Worte formulierte, die wiederum im offenbarten Koran zusammengefasst wurden.

Das In-die-Welt-setzen des Menschen wurde begleitet durch das Erkennbarmachen Gottes als "Unser Herr" (Al-Rabb). Es ist dies jener Teil Gottes, dem wir uns zuwenden können in Abkehr von Satan, Seines Gegenübers. Gehet hinaus, ihr alle, von hier. Und wer dann, wenn zu euch Weisung von Mir kommt, Meiner Weisung folgt, auf die soll keine Furcht kommen, noch sollen sie trauern (Sure 2:30 ff). Ein Minimum an Weisungen sind im Koran zu finden. Weitere Weisungen erfolgten durch den Propheten (Hadithen). Dabei handelt es sich vorwiegend um Weisheiten und Präzisierungen, die im Kontext der damaligen Zeit zu verstehen sind. Inwiefern die Aussprüche des Propheten im Kontext der heutigen Zeit angepasst zu verstehen sind, ist ein wohl nie endender Streitpunkt, der mit dem eingangs erwähnten Problem zu tun hat. Sicher ist: Gott Unser Herr spricht zu uns durch die Heiligen Schriften, und Er macht sich auch ständig mittels Zeichen erkenntlich – in unserem Innern sowie in unserem Umfeld.

Wer sensibel genug ist, wird Gottes Zeichen sehen und erkennen. Unsere psychische Verfassung, die Stimme unseres Gewissens und unser gesundheitlicher Zustand können als Zeichen erkannt werden, genau so wie unerwartete Geschehnisse oder berührende Worte eines Meisters oder Freundes. Die religiöse Arbeit macht uns dafür sensibel, und das religiöse Studium gibt uns die Grundlage, solche Zeichen zu deuten. Jede religiöse Arbeit beinhaltet sowohl äussere Aspekte wie innere. Der Mensch ist ein komplexes Wesen und in Berührung mit und Teil aller Ebenen dieser Schöpfung. Er ist Teil der sichtbaren und der unsichtbaren Welten und ist das Medium, welches alle Ebenen der Schöpfung miteinander verbindet. Das Äussere oder Innere ausklammern zu wollen, würde eine Spaltung des Menschen als Ganzes bewirken. Wer meint, er könne innerlich geistige Arbeit machen und äusserlich die Dinge beim alten lassen, bringt sich in ebenso grosse Schwierigkeiten wie Geistliche, die nach rituellen Formen verlangen, welche sie innerlich nicht nachvollziehen können.

Die höchste erkennbare Ebene ist die Welt der Namen Gottes, aus der heraus sich Gott Unser Herr erkennbar macht. Weiter unten folgen die Welten der Engel (sie sind Träger von Gottes Willen oder die Kräfte Gottes), die Welt der Möglichkeiten und Ideen, und letztlich die Welt des Menschlichen (das "Diesseits"). Die 99 Schönsten Namen Gottes sind im Koran enthalten und dienen als Hinweis, wie Gott in dieser Welt gesehen und erkannt werden kann.

Der Sinn von hierarchischen Ebenen in der Schöpfung kann auch mit dem Phänomen der Resonanz verstanden werden. Jede Welt ist wie ein Resonanzkörper, der durch den Einfluss der höheren Welt zum Schwingen gebracht wird und dadurch einen arteigenen Klang erzeugt. Dieser Klang wiederum bringt die nächste Welt zum schwingen, und so weiter ...

Um das alles zu verstehen und um die ursprüngliche Bedeutung des Korans zu erfassen, müssen wir in die Weisheit des Korans eintauchen. Damit werden wir dessen Botschafter erkennen und, wenn wir Muhammad sehen, den Engel Gabriel erkennen. So werden wir Gottes Licht sehen und die Resonanz Allahs im Koran erfahren. Mit dem Erkennen dieser Resonanz werden wir unser Leben und Tod, den Tag des Gerichts und die 99 Namen Gottes verstehen.
(Bawa Muhaiyaddeen)

Die Grundlage des islamischen Glaubens ist das erste Glaubensbekenntnis (Kalimah) "La ilah illa Allah, Muhammad Rasul Allah". Wer sich daran hält und sich darum bemüht, sich mindestens fünf Mal pro Tag im Gebet daran zu erinnern, kann sich ohne weiteres Moslem nennen. Alles, was Gott von uns will, ist, dass wir uns in jedem Atemzug Seiner erinnern, und dass wir dadurch Seine Gebote einhalten und vom Eigendünkel wegkommen. Das Glaubensbekenntnis ist der erste Schritt im Islam. Was bedeutet das?

La ilah illa Allah heisst übersetzt aus dem Arabischen "Nein, es gibt keinen Gott ausser Gott". Es ist die Aufforderung, sich mit nichts anderem zu identifizieren, ausser mit Gott (Allah). Es ist die genau gleiche Aufforderung, wie sie der christliche Mystiker Meister Eckehart formuliert hatte: Lasse weg alles, was nicht Gott ist, und dann bleibt nur noch Gott übrig. Gott ist durch die menschliche Fähigkeit nicht erfassbar. Darum können wir Gott nur dadurch finden, dass wir ausklammern, was nicht Gott ist.

Mohammad Rasul Allah heisst übersetzt aus dem Arabischen " Mohammad ist Gottes Botschafter". Das bedeutet, dass das, was im Koran geschrieben wurde Gottes Botschaft ist und was sonst noch von Hz. Mohammed ausgesagt wurde (Hadithen), als Vorsatz gesehen wird.

Islam ist und will nichts anderes als die Zuwendung zur Einheit allen Seins. Dies geschieht vorerst durch die Preisung Gottes als den Grössten (Allah Akbar), den nie Erreichbaren und doch Allbarmherzigen und Nahestehenden. Gott ist uns näher als die Halsschlagader, und darum gibt es keine (kirchlichen) Titel oder Hierarchien, die bezeugen würden, dass jemand näher bei Gott sei als andere. Propheten, Heilige, Pirs, Scheichs, Priester und Lehrer sind Begleiter und Hilfen für die Suchenden in ihrer direkten Zuwendung zu Gott. Niemand ist befähigt und befugt zu beurteilen, ob der andere näher bei Gott ist oder nicht. Im Islam werden keine solchen Unterschiede gemacht. Niemand hat einen Besitzanspruch auf die Wahrheit, und darum ist es im Islam auch unsittlich, für die Weitergabe der Wahrheit Geld oder persönliche Vorteile zu verlangen. Irgend welche Titel, die vielleicht aus Respekt oder in Anerkennung einem Menschen gegeben werden, sind relativ und haben keinen absoluten Wert. Dazu gehört auch der Titel Al-Mawla (türkisch Mevlana), "Unser Herr und Beschützer", der oft dort gebraucht wird, wo Gottes Präsenz in einem Menschen stark verspürt wird. Auch wenn eine Rose mehr Rosenblätter als die andere hat, so liegt doch in jeder Rose die gleiche Essenz.

Islam bedeutet nicht Trennung, sondern das Respektieren von Menschen im Wissen, dass jene, die sich nicht zum Islam bekennen, Nachbarn sind und jene, die sich ans Glaubensbekenntnis halten, zum eigenen Körper gehören. Allein das gute Beispiel wird seine Wirkung haben; niemand braucht bekehrt zu werden. Islam heisst, den Nächsten lieben wie sich selbst. Islam will das, was getrennt wurde, wieder zusammenführen, wobei das Zusammenführen in der eigenen Seele beginnt.

Ein Baum mag viele Aeste haben, einige höher als die anderen, doch die Früchte sind alle die gleichen und gehören zum gleichen Baum. Natürlich mag die eine Frucht reif und saftig sein und die andere noch hart wie Stein, doch wir können die unreifen Früchte nicht zum Reifen bringen, indem wir sie schlagen. Je nachdem, woher der Wind blasen wird und wie oft die Sonne scheinen wird, werden sie in ihrer Zeit reifen.

Gottes Gerechtigkeit ergründen oder gar verstehen zu wollen, ist unmöglich. Ich habe die Menschen hoch und nieder gemacht, nur damit sie Mir dienen. (Koran). In einigen islamischen Überlieferungen werden vier Gerechtigkeiten unterschieden:

Gottes Gerechtigkeit, nach der wir uns immer als erstes richten sollen, die wir aber mit menschlichem Ermessen nicht erfassen können;

Des "Königs Gerechtigkeit", die beschreibt, in welcher Form wir Herr und König über unsere inhärente und niedere Natur sein sollen; das Wissen darüber ist ein Merkmal der Sufis (islamische Mystiker);

Die menschliche Gerechtigkeit, die beschreibt, wie wir uns gegenüber anderen Lebewesen verhalten sollen; dies ist in allen heiligen Büchern beschrieben;

Die Gerechtigkeit unseres Gewissens, die uns dazu veranlassen soll, als menschliches Wesen gemäss der Stimme des inneren Zeugen zu handeln; es ist eine Folge unserer individuellen, von Geburt auf mitgegebenen Eigenart sowie unserer Erziehung.

Um den Islam in seiner Tiefe zu verstehen, müssen wir in uns selbst Ordnung schaffen und die Dinge an ihren Platz stellen. Solange ein Feld voller Steine ist, kann darauf nichts rechtes wachsen. Doch wir können die Steine herauslesen und dazu verwenden, eine schützende Mauer darum zu bauen. Damit wird das Feld fruchtbar und zugleich von äusseren Einflüssen beschützt. Indem wir unseren Herzensspiegel auf der einen Seite putzen und auf der anderen Seite des Glases komplett versiegeln, wird er das Licht Hz. Mohammeds unverzerrt widerspiegeln können.

Wörtlich heisst Islam Hingabe an Gott. Das Wort hat die gleiche Wurzel wie Salam, was Friede bedeutet - Hingabe an Unseren Herrn, an die Alles-Einende-Kraft, an Allah, um Frieden zu finden. Islam heisst, in Einheit und damit im Frieden sein mit unseren Wurzeln und unserem Ursprung, mit dieser Welt und mit dem Jenseits. Islam ist keine neue Religion. Islam gibt es seit Adam. Islam ist Mitgefühl, Toleranz, Geduld, Nachsicht und die gütigen Qualitäten Allahs. Islam kennt keinen Zwang. Islam ist Beispiel und Vorbild.

In einigen islamischen Kreisen spricht man von fünf "Waffen" gegen die versuchenden Einflüsse Satans, die je ein äusseres und inneres Äquivalent besitzen. Diese Waffen werden von Gläubigen auch als Pflichten gesehen, da diese dazu da sind, die Anforderungen an den Menschen für den "Rechten Weg" zu erfüllen. Der Mensch ist auf eine bestimmte Art gebaut. Darum muss er ein bestimmtes Verhalten annehmen, wenn er in die richtige Richtung gehen will.

Die fünf äusseren Waffen oder Pflichten (fard) sind

1. der absolute Glaube (Iman), formuliert im Glaubensbekenntnis La ilah illa Allah, Mohammad Rasul Allah, das im Gebetsruf (Adhan) gesungen wird

2. das rituelle Gebet (Salah, Salat) zu den fünf Gebetszeiten

3. die Wohltätigkeit (Zakah, Zakat)

4. das Fasten (Sawm) im Monat Ramadan

5. die Pilgerfahrt (Hajj) einmal im Leben zum Hause des Herrn (Ka'ba)

Jede äussere Pflicht hat sein feinstoffliches Aequivalent (innere Waffe):

1. Wir sollen im ständigen Gotteserinnern sein. Dies macht uns auch wach für die Zeichen und Signale, die uns im Leben geschenkt werden.

2. Das rituelle Gebet hat seine Wirkung nur dann, wenn das Gemüt beruhigt und das Herz zufrieden ist (aus einem Hadith des Propheten). Dieser Zustand wird erreicht durch die sogenannte Gottesfurcht - das heisst das Wissen oder wenigstens Gefühl um unsere ständige Abhängigkeit von der Gnade und dem Willen Gottes. Ist das Wissen über diese Abhängigkeit unser ständiger Begleiter geworden, wird das Gemüt den Zustand erreichen, der dem rituellen Gebet die eigentliche Wirkung gibt.

3. Nicht nur materielle Güter sind weiterzugeben; auch Zuneigung, Mitgefühl und Hingabe an den Nächsten gehört zur Wohltätigkeit. Doch der wahre Grund der Wohltätigkeit liegt noch tiefer. Das Verschenken von materiellen Werten ist eigentlich nur ein Vorwand, um dem Geber die Möglichkeit zu geben, gottgefällig zu sein. Der Geber sollte dem Mittellosen danken, dass ihm die Möglichkeit zur Spende gegeben wird. Der Gläubige gibt alles weg, was er besitzt – nicht nur materielles Gut, sondern ebenso sein Ansehen, ein guter Mensch zu sein, sowie die Hoffnung nach Belohnung in der anderen Welt. Wer diesen Weg beschreitet, hat selbst seine eigene Existenz verloren. (Hz. Jilani)

4. Nicht nur 30 Tage im Jahr auf die üblichen Essenszeiten verzichten (äusseres Fasten), aber ebenso ständig auf unnötige Nahrung für die niedere Natur des Menschen (Nafs) verzichten. Dazu gehören z.B. Pornographie und die Verherrlichung der Gewalt, wie es in unserer Gesellschaft ständig dargestellt wird. Aber auch Neugierde und Klatsch nährt unsere niedere Natur. Schlussendlich soll auf jegliche Hinwendung verzichtet werden, die nicht auf Gottes Existenz gerichtet ist.

5. Die innere Ka'ba ist das Herz, um das wir uns drehen. Es ist der einzige Ort, wo Gott Seinen Platz hat. Wenn wir dort sind, sterben wir aus dieser Welt (in der Welt aber nicht von der Welt sein; "stirb bevor du stirbst").

Die fünf Waffen sind dazu da, in den "Heiligen Krieg" (Jihad) zu ziehen. Es ist der Krieg gegen alles, was in uns die Wahrheit verdeckt und dadurch den Unglauben (Kufr) erscheinen lässt. Unglaube hat mit einem Mangel an Wahrheitserkenntnis zu tun, desgleichen die Untreue im Gemüt, in Gedanken und im Herzen. Dies muss alles überwunden werden. Auch die Lust nach Verbotenem (Haram) muss gestoppt werden. Die Dunkelheit, welche dem Stolz, der Eifersucht, der Rache, dem Verrat und der Betrügerei Platz macht, muss durchbrochen und der Hang zu Illusion und Magie aufgegeben werden. All dies nennt sich Grosser Jihad.

Jihad heisst wörtlich "sich um etwas bemühen, um etwas kämpfen". Äusserlich ist nur die Selbstverteidigung erlaubt, was Kleiner Jihad genannt wird. In der Schweiz kennen wir dies als bewaffnete Neutralität. Der Angriffskrieg ist verboten.

Waffen nützen wenig, wenn wir damit nicht umgehen können. Wer ein Schwert schwingen will, muss standfest sein. Die innere Standfestigkeit eines Menschen hängt von der Entwicklung seiner Seele ab, die sich – gemäss einigen Überlieferungen - in sechs Stationen (Maqam) einteilen lässt. Die substantielle Basis, um in einer oder mehrerer dieser Stationen bestehen zu können, ist jedem Menschen in Form von qualitativ unterschiedlichen "Seelensubstanzen" (Nafs) gegeben. Je nach dem, wie entwickelt oder unterentwickelt diese "Seelensubstanzen" sind, kann ein Mensch in den unterschiedlichen Stufen existieren.

Station des Ego-Behaftetseins (Maqam an-nafs): Hier sind die natürlichen und primitiven Nafs dominant, nämlich das Befehlende Nafs (Nafs-e ammare) und das Tadelnde Nafs (Nafs-e lawwame). Es geht in dieser Stufe vorwiegend ums Überleben in dieser Welt. Die negativen Auswirkungen auf dieser Stufe sind in der Psychologie und Psychiatrie bestens erforscht. Alles was von den Begierden und von der Unzufriedenheit herrührt ist zu überwinden.

Station des Herzens (Maqam al-qalb): Auf dieser Stufe ist das Erleuchtete Nafs (Nafs-e molhama) stark aktiv mit seinen zehn Eigenschaften der Vernunft, der Weisheit, des Wissens, der Enthüllung, der Inspiration, des Gewahrseins, der Vollkommenheit, der Güte, der Gnade und der Freigebigkeit. Es wird "Station des Herzens" genannt, weil ein offenes Herz diese Qualitäten aus der anderen Welt empfängt. Auf dieser Stufe möchte man nur Gutes tun, wobei es aber offen ist, ob der Wille dafür vorhanden ist. Es besteht die Gefahr, emotional getrieben zu werden (erkennbar durch Aussagen wie "es hat zwischen uns nicht gestummen, darum habe ich die Ehe gebrochen" oder "es musste nun mal sein, ich weiss auch nicht warum"). Angst vor dem Versagen, Depression, Ärger und Respektlosigkeit gegenüber den Gefühlen anderer sind typische negative Auswirkungen dieser Stufe.

Station des Geistes (Maqam ar-ruh): Hier ist das Beruhigte Nafs (Nafs-e motma'ene) erwacht. Es ist der Zustand der Ruhe im Gemüt, und in dieser Ruhe wird – wie es die Theosophen ausdrücken – die "Stimme der Stille" vernommen. Es ist eine Gewissheit schenkende Verbindung zur anderen Welt. In dieser geschenkten Gewissheit nimmt die Willenskraft zu, und die Angst vor den Folgen des Handelns verschwindet. Auf dieser Stufe besteht die Gefahr zur Arroganz und Selbstüberwertung. Aller Stolz und jegliche Selbstgefälligkeit müssen vernichtet werden.

Station der göttlichen Geheimnisse (Maqam as-sirr): Diese Station ist an der Grenze des Vorstellbaren. Wer diese Station erfährt, kann es selbst nicht glauben. Hier werden die Mechanismen gesehen, welche die Welt zusammenhalten und bewegen. Hier ist ein Mensch hellsichtig und kann die Gedanken anderer Menschen lesen. Engel kommen zu ihm mit Informationen aus den unsichtbaren Bereichen. Es gibt bestimmte Meiner Diener, die nicht damit aufhören, durch freiwilliges Gebet so lange Meine Nähe zu suchen, bis Ich zu den Lippen werde, mit denen sie sprechen, zu den Augen, mit denen sie sehen, zu den Ohren, mit denen sie hören, zu der Hand, mit der sie halten und zum Fuss, mit dem sie gehen. Die grösste Gefahr auf dieser Station ist das falsche Interpretieren der erhaltenen Signale aus der anderen Welt. Nicht nur Engel erscheinen diesen Personen, sondern ebenso die Jins (Wirkkräfte Satans) und alle Sorten spiritistischer Phänomene durch nicht erlöste Gestalten und Geistesfetzen.

Station der Nähe zu Gott (Maqam al-qurb): In dieser Station besteht eine ständige Verbindung zur anderen Welt. Solche Menschen sind "in dieser Welt aber nicht von dieser Welt", wie es Jesus erklärt hat. Sie haben ihr Interesse an dieser Welt verloren und sind trotzdem von Freude erfüllt. Ob sie schlafen oder essen spielt für sie keine Rolle. Ihr Fallstrick ist die Ekstase, aus der sie nicht mehr rauskommen. Solche "verirrten" Geister werden Majdhub genannt. Es sind Menschen einer hohen Stufe, bei denen aber die tieferen Stufen (Seelensubstanzen) nicht alle genügend gefestigt sind.

Station der Vereinigung (Maqam al-wisal): Dies wird auch Himmlische Hochzeit genannt. Die Vereinigung mit Gott ist nicht mehr erklärbar.

Der Koran weist immer wieder darauf hin, dass es dem Menschen nicht schwerer gemacht wird, als was er tragen und verkraften kann; doch er soll wieder und wieder um Hilfe bitten, denn Gott alleine bestimmt, wer recht- und wer fehlgeleitet wird. Gott allein ist die Einheit, und damit ist Er die Quelle der Liebe und der Ursprung aller Freundschaft.

Oh Gott! Ich bitte um ein Herz, das ehrfürchtig betet, um einen festen und beständigen Glauben, um nützliches Wissen und um gute Taten. Ich bitte um Nähe zu Gott, und ich bitte darum, unerschütterlich dem Pfad zu folgen; ich bitte um Sicherheit vor allem Unglück, und ich bitte um vollkommenes Wohlergehen, und ich bitte darum, dass dieses Wohlergehen lange währt. Ich bitte darum, für dieses Wohlergehen danken zu können. Oh Gott! Ich bitte um Wohlstand und Wohlergehen, damit ich geschützt bin vor den Sorgen um Diesseits und Jenseits. Oh Gott! Du, der Du das Verborgene und Geheime kennst, Du erhebst Deine Diener auf die Stufe, die Du willst; Du bist der Herr des Thrones! Du gibst Deinen Geschöpfen solche Seelen, wie Du willst und Erlösung nach Deinem Befehl.

Mein Gott! Ich bitte um einen Glauben, der mein Herz blühen lässt, einen unerschütterlichen Glauben, frei von Zweifeln, so dass ich weiss, dass nichts auf mich zukommen wird ausser dem, was mir bestimmt ist; und gib, dass ich damit zufrieden bin.

Oh Gott, gib Licht in mein Herz, Licht in mein Grab, Licht vor mich, Licht hinter mich, Licht zu meiner Rechten, Licht zu meiner Linken, Licht über mich, Licht unter mich, Licht in meine Ohren, Licht in meine Augen, Licht auf meine Haut, Licht in mein Haar, Licht in mein Fleisch, Licht in mein Blut, Licht in meine Knochen. Oh Gott! Mehre mein Licht. Oh Gott! Gib Licht in mein Herz, Licht auf meine Zunge, Licht in meine Augen, Licht in meine Ohren, Licht auf meine rechte Seite, Licht auf meine linke Seite, Licht über mich, Licht unter mich, Licht vor mich, Licht hinter mich und Licht in mein Inneres. Mehre mein Licht.

(Aus den Gebeten der Mevlevi)



Peter Hüseyin Cunz, im Herbst 2000

Bir Sofist(Sofist)

   

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