Migräne ohne Aura (Gewöhnliche Migräne)
Die Migräne ohne Aura ist mit etwa 80–85 % der Migräneanfälle die häufigste Form der Migräne. Von einer Migräne ohne Aura kann gesprochen werden, wenn in der Krankengeschichte mindestens fünf Migräneattacken auftraten, bei denen mindestens zwei der vier Hauptkriterien erfüllt sind und der Kopfschmerzphase keine Aura vorausging:
Hemikranie (einseitiger Kopfschmerz), Seitenwechsel ist möglich
mittlere bis starke Schmerzintensität
pulsierender oder pochender Schmerzcharakter
Verstärkung durch körperliche Aktivität
Zusätzlich muss mindestens ein vegetatives Symptom, also Übelkeit und optional Erbrechen oder Phono- und Photophobie, vorhanden sein.[14] Wenngleich eine Auraphase fehlt, können Vorboten wie Unruhe, Erregungszustände und Stimmungsveränderungen auftreten. Diese zeigen sich einige Stunden bis zwei Tage vor der eigentlichen Attacke. Der Kopfschmerz ist in 2/3 der Fälle halbseitig und pulsierend, verstärkt sich bei körperlicher Aktivität und kann unbehandelt zwischen 4 Stunden und 3 Tagen andauern. Begleitsymptome wie Übelkeit oder Erbrechen (80 %), Lichtempfindlichkeit (60 %), Geräuschempfindlichkeit (50 %) und Geruchsempfindlichkeit (< 30 %) können auftreten.[15] Bei Kindern kann die Migränedauer verkürzt sein. Dafür ist bei ihnen der Kopfschmerz meist beidseitig lokalisiert. Bei Frauen weist die Migräne ohne Aura oft eine strenge Beziehung zur Menstruation auf. Neuere Leitlinien unterscheiden daher zwischen einer nicht-menstruellen, einer menstruationsassoziierten und einer rein menstruellen Migräne ohne Aura.[16]
Migräne mit Aura (Klassische Migräne)
Eine Migräne mit Aura ist durch reversible neurologische Symptome, die Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen, Skotomen, Lichtblitzen oder Wahrnehmen von bunten, schillernden, gezackten Linien oder Flimmern, Gefühlsstörungen mit Kribbeln oder Taubheitsgefühl und Sprachstörungen einschließen, geprägt. Gelegentlich (6 %) kommt es auch zu motorischen Störungen bis hin zu Lähmungserscheinungen. Diese Aurasymptome halten im Durchschnitt 20–30 Minuten, selten länger als eine Stunde an. Während der Aura bis spätestens 60 Minuten danach tritt zumeist eine Kopfschmerzphase ein, die der Migräne ohne Aura entspricht und von Begleitsymptomen, wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit und Geräuschempfindlichkeit begleitet sein kann. Diese Kopfschmerzphase kann, wie im Falle der typischen Aura ohne Kopfschmerz, vollständig fehlen.
Nach den Kriterien der IHS wird von einer Migräne mit Aura gesprochen, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:[14]
vollständig reversible Sehstörungen, Gefühlsstörungen oder Sprachstörungen
sich langsam entwickelnde oder ablösende Aurasymptome mit einer Dauer von 5-60 min.
Typische Aura mit Migränekopfschmerz
Die typische Aura mit Migränekopfschmerz ist die häufigste Form der Migräne mit Aura. Daneben folgt bei vielen Patienten der Aura ein Kopfschmerz, der nicht den Kriterien eines Migränekopfschmerzes entspricht. Die Kopfschmerzen sind dann nicht pulsierend, halbseitig und von zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit begleitet.[14]
Typische Aura ohne Kopfschmerz
Während die meisten Migräneauren von einem Kopfschmerz gefolgt werden, tritt bei einer Minderheit an Patienten eine Aura, die oben genannten Kriterien entspricht, ohne Kopfschmerz auf. Dieser Migränetyp ist besonders bei Männern verbreitet. Darüber hinaus kann bei Migränepatienten mit zunehmenden Alter eine typische Aura mit Migränekopfschmerz in eine typische Aura ohne Migräne übergehen.[14]
Familiäre hemiplegische Migräne
Neben den oben genannten typischen Symptomen einer Migräne mit Aura sind bei der seltenen aber familiär gehäuft auftretenden familiären hemiplegischen Migräne oft motorische Störungen zu beobachten. Auch Symptome, die charakteristisch für eine Migräne vom Basilaristyp sind, sowie Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, Fieber und Verwirrtheitszustände auftreten. Das wichtigste Kriterium für die Diagnose ist, dass wenigstens ein Verwandter ersten oder zweiten Grades ebenfalls Migräneattacken mit den Symptomen einer familiären hemiplegischen Migräne aufweist.[14] Als eine Ursache für die familiäre hemiplegische Migräne konnten bisher drei Gendefekte mit Lokalisation auf den Chromosomen 1, 2 und 19 gefunden werden. Anhand der Lage der Gendefekte kann zwischen den Typen I (FMH1), II (FMH2) und III (FMH3) der familiären hemiplegischen Migräne unterschieden werden.[17]
Sporadische hemiplegische Migräne
Die sporadische hemiplegische Migräne gleicht in ihren Symptomen der familiären hemiplegischen Migräne. Das wichtigste Unterscheidungskriterium gegenüber der familiären hemiplegischen Migräne ist das Fehlen von vergleichbaren Fällen in der Verwandtschaft ersten und zweiten Grades. Auch können der sporadischen hemiplegische Migräne keine Gendefekte als Ursache zugeordnet werden. Von einer sporadischen hemiplegische Migräne sind insbesondere Männer betroffen und ihre Häufigkeit ist mit der der familiären hemiplegischen Migräne vergleichbar.[14]
Migräne vom Basilaristyp
Die Migräne vom Basilaristyp, auch Basilarismigräne genannt, tritt gehäuft bei jungen Erwachsenen auf. Die neurologischen Symptome einer Migräne vom Basilaristyp können von den zuvor genannten Aurasymptomen abweichen. Charakteristische Symptome sind Sprachstörungen, Schwindel, Tinnitus, Hörminderung, Doppelbilder, Sehstörungen gleichzeitig sowohl im temporalen als auch im nasalen Gesichtsfeld beider Augen, Ataxie, Bewusstseinsstörung oder gleichzeitige beidseitige Parästhesien.[14] In Einzelfällen kommt es zu einem locked-in-Syndrom: vollständige Bewegungslosigkeit bei wachem Bewusstsein für die Dauer von 2 bis 30 Minuten, gelegentlich sind noch vertikale Augenbewegungen möglich (Bickerstaff-Syndrom). Sowohl die Aurasymptome als auch der Migränekopfschmerz werden meist beidseitig wahrgenommen. Eine namensgebende Beteiligung der Arteria basilaris wird zwar vermutet, ist aber nicht gesichert.Wikipedia