[b]Der Dorflehrer[/b]

#1 von H.L.Marionettte ( Gast ) , 11.09.2016 17:50

Der Dorflehrer

HMCK UND HL.

1. Teil

Diese Geschichte erzählt von einem kleinen anatolischen Dorf, in dem das Leben wie eh und je gleich ablief, so wie es schon immer war, und seinen Bewohnern.

Es gab dort eine kleine Moschee, eine Schule und die Häuser der Einwohner.

In dieses kleine Dorf kam irgendwann ein Fremder. Er war Lehrer, ein Grundschullehrer.

Im Ort traf er auf vier Männer. Der erste war der Bürgermeister Osman mit seinen zwei Begleitern, die ständig in seiner Nähe waren und dessen Sohn Ali.

Sie erblickten den Fremden und hießen ihn willkommen ("hos geldin"). Der Fremde freute sich darüber, dass er willkommen geheißen wurde und sagte, dass er Oktay heiße und Grundschul-lehrer sei. Er sagte ihnen jedoch nicht, dass er der neue Lehrer für dieses Dorf sein sollte.

Der Bürgermeister und seine drei Begleiter hatten selbst nie eine Schule besucht.

Nun erhob der Bürgermeister Osman die Stimme und sagte: "Heute ist Freitag und wir müssen in die Moschee [flash]zum Beten. Komm doch mit uns mit."

Der Lehrer aber meinte: "Ich habe noch nicht das ganze Dorf gesehen und möchte mir zuerst alles anschauen. - Lieber ein anderes Mal."
Man verabschiedete und trennte sich.

Der Lehrer wohnte nun schon einige Wochen in dem Dorf und war immer noch nicht zum Freitagsgebet erschienen. Also beschlossen der Bürgermeister und seine treuen Begleiter, ihm einen Besuch abzustatten.

Oktay, der Lehrer, öffnete die Tür und sagte nun seinerseits: "Willkommen" und ließ sie in sein Haus eintreten. - Dort ergriff Osman das Wort: "Nun bist du schon einige Wochen hier im Dorf. So langsam solltest du wirklich zum Freitagsgebet kommen." Seine Stimme klang dabei eigentlich nicht mehr sehr freundlich – nein, eigentlich schon recht zornig.

Der Lehrer antwortete: "Keiner kann gezwungen werden in die Moschee zu gehen. Jeder hat das Recht selbst zu entscheiden ob er das möchte oder nicht."
Osman war jetzt für alle sichtbar sehr wütend, schüttelte böse seinen Kopf und verließ fast schäumend vor Wut das Haus. Auf direktem Weg ging er zum Dorfimam, um ihm von der Begebenheit zu berichten.

Der Dorfimam lebte bereits seit zehn Jahren in dem Dorf und war bei allen Bewohnern sehr beliebt.
Osman fing an zu erzählen, was er im Hause des Lehrers erlebt hatte und konnte seinen Zorn kaum beherrschen. - Nachdem der Imam sah, in welchem Zustand sich Osman befand, sagte er: "Osman, gehe jetzt nach Hause und versuche, dich zu beruhigen. Über alles können wir dann später weiter reden."

Osman ging also nach Hause und versuchte, sich zu beruhigen. - So richtig gelang ihm das jedoch nicht. - Also machte er sich nach zwei Tagen mit seinen zwei Begleitern wieder auf den Weg zur Moschee zum Imam. Der Imam ließ auch noch den Lehrer dazuholen.

Als alle versammelt waren, sagte der Imam: "Eigentlich hat Oktay ja Recht, denn jeder darf für sich selbst entscheiden, was für ihn richtig ist. Aber man soll auch die Meinung Andersdenkender respektieren." - "Zu unserem Glauben gehört: wer drei Mal nicht zum Freitagsgebet in der Moschee erschienen ist, gehört nicht mehr zu unserer Gemeinde."

Osman meldet sich zu Wort und sagt: "Der Lehrer erzählt allen im Cafè, dass jeder das Recht hat, seine Meinung frei zu äußern und keiner darf ihm sagen, was er glauben soll oder nicht. - Weiter sagt er, dass berichtet wird von einem, der tot ist und wieder zum Leben erweckt wird. Aber keiner kann es bezeugen, wie alles, was über das Jenseits berichtet wird. Oder darf man jemanden zum Gebet zwingen? - Stimmt das denn alles, was der Lehrer sagt?"

Der Imam entgegnete daraufhin: "Ein erzwungenes Gebet wird Allah keineswegs erfreuen. Ein ehrliches und mit eigenem Willen praktiziertes Gebet wird von Allah gewünscht." Zum Lehrer sagte er: "Du darfst deine Meinung zwar äußern aber in der Öffentlichkeit sollte man seine Worte doch vorsichtig äußern."

Osman war mit alledem aber immer noch nicht zufrieden. "So einen Lehrer hatten wir hier noch nie" sagte Osman und weiter: "Und wenn du hier bleiben möchtest, solltest du sehr, sehr vorsichtig sein." Dabei drückte er die nur halb aufgerauchte Zigarette .... aus. - Sein Tonfall und die Art, wie er die Zigarette ausdrückte, ließ nichts Gutes ahnen.
"Ich bin der gewählte Bürgermeister und es soll geschehen!!!"

Der Lehrer fühlte sich im Recht und gab in keiner Weise klein bei oder nahm auch keine Rücksicht auf die Meinungen der anderen und setzte allem noch mit der Bemerkung: "der Imam hat die alte Denkweise. Damit komme ich sowieso nicht klar und außerdem hat er mir nichts zu sagen!!" die Krone auf. - "Und jetzt zu dir Osman: mich interessieren die anderen Lehrer nicht. - Ihr spielt gleichzeitig die Rolle von Staatsanwalt und Richter und fragt mich nicht. Das soll die Gerechtigkeit sein??? - Ihr solltet auch meine Meinung hören. - Normale Muslime haben Respekt vor der Meinung anderer. - Ein Moslem wird eigentlich immer tolerant bleiben, selbst dann, wenn er im Herzen verletzt wurde."

Osman steht auf und sagt zu dem Lehrer:"Ich weiß nicht, wer du bist und mich interessiert deine Meinung auch nicht. Für dich sollte man ein Schwert haben, sonst komme ich mit dir nicht klar." Damit stürmte er zur Tür, riss sie auf und schlug sie voller Wut hinter sich zu.

Den Lehrer hatte die ganze Diskussion auch sehr mitgenommen und er machte sich ebenfalls auf den Heimweg.

Er überlegte einen ganzen Tag, warum er in diesem Dorf keinen richtigen Kontakt zu den Mitbewohnern bekam. Er fühlte sich wie in einer tiefen Schlucht gefangen und sehr alleine gelassen. Mit diesen Gedanken legte er sich zum Schlafen.

Am nächsten Morgen, so gegen 10 Uhr, wurde er von einem großen Getöse vor seinem Haus geweckt. - Nichts Böses ahnend ging er zur Tür. Er wollte nachsehen, was dieser Krach bedeutete. Als er die Tür öffnete, stürmten die drei vom vorigen Tage in sein Haus, schlugen ihn mit Knüppeln, so dass er ziemlich verletzt wurde und hinfiel. Dann tauchten noch zwei wütende Männer auf, die seine Hände auf dem Rücken zusammenschnürten. Alle fünf schlugen gleichzeitig auf ihn ein bis er sich nicht mehr rühren konnte. Dann verschwanden die Typen ganz schnell.

Nach einer längeren Zeit rappelte sich der Lehrer mühsam auf, packte ein paar Sachen zusammen und machte sich auf den Weg in die nächste Stadt.

Dort ging er direkt zur Polizei und erstattete Anzeige gegen den Imam, den Bürgermeister Osman und die anderen, die auf ihn eingeschlagen hatten.
Die Anzeige wurde aufgenommen und ihm wurde geraten, so schnell wie möglich einen Arzt aufzusuchen, um die schlimmen Wunden behandeln und ein Gutachten über die Verletzungen erstellen zu lassen.

Nach kurzer Zeit wurden die Beschuldigten von der zuständigen Polizei angeschrieben und zum Verhör einbestellt.





2. Teil

Im Dorf wurde nach dieser Auseinandersetzung viel diskutiert. Die meisten waren der Meinung, dass der Lehrer kein Recht hatte, ihre Meinung abzuwerten. Im Großen und Ganzen ist es zwar richtig, dass jeder seine Meinung äußern darf.
Aber über die Existens Gottes zu lästern, das ging doch zu weit! Nach unserem Wissen, das wir auch von den Vorvätern übernommen haben, darf niemals über unseren Glauben und Gott gelästert werden.

Inzwischen war einige Zeit vergangen und der Bürgermeister glaubte, dass die ganze unerfreuliche Angelegenheit vorbei wäre und der Lehrer nicht mehr zurückkommen würde. Darin sollte er sich sehr täuschen.

Eines Tages sah einer der ständigen Begleiter des Bürgermeisters durch' s Fenster und erblickte zwei bewaffnete Soldaten. Gleich darauf hörten sie im Büro ein lautes: "Klopf! - Klopf!" - Schon während des zweiten Klopfens stürmten zwei Soldaten in das Büro. - Ein Soldat brüllte los: "Wer ist der Bürgermeister und wo ist er!"
Der Bürgermeister sagte: "Ich bin Osman, der Bürgermeister."
"Wir haben für dich eine Vorladung zum Gericht" sagte der eine Soldat. Der andere erklärte, dass das, was in diesem Dorf mit dem Lehrer passiert war, eine ganz große Unverschämtheit ist.
Es wird ein anderer Lehrer in das Dorf kommen. Mit dem dürfen die Dorfbewohner jedoch nicht so rabiat umgehen, wie mit dem ersten."
Der Ton der Soldaten war nicht gerade freundlich und Osman erwiderte ihnen: "Gut, ihr habt mir die Vorladung ausgehändigt und über den neuen Lehrer braucht ihr euch keine Gedanken machen. Wir gehen mit allen Leuten gut um, solange sie sich anständig benehmen."

Bevor die Soldaten das Büro des Bürgermeisters verließen ermahnten sie Osman, die Vorladung sehr ernst zu nehmen und pünktlich zum Gerichtstermin zu erscheinen.

Osman regt sich fürchterlich auf und sagt seinen Begleitern, dass Oktay, der Lehrer, während seiner Anzeige vor der Polizei in der Stadt die Beamten behext habe und sich bei der Gerichtsverhandlung alles aufklären wird.

Fünfzehn Tage später macht er sich rechtzeitig mit seinen Beglei-tern auf den Weg, um pünktlich zur Gerichtsverhandlung in der Stadt einzutreffen.
Schon das Gerichtsgebäude wirkte auf die vier sehr beeindruckend, aber im Gerichtssaal fühlten sie sich sehr erniedrigt.

Es war ein großer Saal. Ganz vorne befanden sich – sehr erhöht – in der Mitte die Plätze für den die Plätze für den Staatsanwalt als Kläger und für die Verteidigung und den Beklagten. Ebenerdig befanden sich die Stühle für die Zeugen und die Zuschauer.
Nachdem die Anklage verlesen, die Beschuldigten und alle Zeugen ihre Aussagen gemacht hatten, zogen sich der Richter und die Geschworenen zur Beratung zurück.

Es verging einige Zeit und das Gericht trat wieder in den Gerichts-saal, um das Urteil zu verkünden. - Der Richter fasste zunächst alle strittigen Punkte zusammen und erklärte dann, dass der Bürgermeister und ein Teil der Dorfbewohner sehr im Unrecht waren, als sie den Lehrer überfallen und so übel zugerichtet haben. – Allerdings seien es bis dahin unbescholtene Bürger gewesen und deshalb wird in diesem Falle keine Strafe verhängt, sondern sie wurden eindringlich ermahnt, künftig die Meinungen anders Denkender zu respektieren. Gewalt sei keine gute Lösung! Vielmehr sollte das Gespräch gesucht werden, um einen Weg zu finden, den beide Seiten gehen können, ohne sich gegenseitig zu verletzen.
- Sollte es jedoch in Zukunft wieder zu tätlichen Über-griffen kommen, ist das Gericht gezwungen, eine empfindliche Strafe gegen die Angeklagten zu verhängen.

Damit war die Sitzung geschlossen und der Bürgermeister samt seinen Begleitern konnten sehr erleichtert in ihr Dorf zurückkehren.

3. Teil


In der folgenden Zeit änderte sich so manches in dem Dorf:
der Bürgermeister ließ sich bei der nächsten Wahl nicht mehr aufstellen und reiste nach Frankreich.
Der neue Lehrer ging auf die Mitbewohner des Dorfes zu, sprach mit ihnen und lud sie zu Gesprächen ein. Die anderen Einwohner gewöhnten sich langsam daran.

So besuchte er die einzelnen Familien, erklärte ihnen, wie wichtig es sei, dass die Kinder regelmäßig die Schule besuchten. – Vom Staat war inzwischen die allgemeine Schulpflicht eingeführt worden.

Er fragte auch nach ihren Bedürfnissen und versuchte, ihnen bei der Erziehung zu helfen und hörte ihnen zu, wenn sie ihm erklär-ten, was ihnen bei der Erziehung wichtig war.

Die Kinder besuchten nun regelmäßig die Schule, die Jungen und auch alle Mädchen.
Der Imam verließ nach einiger Zeit seine bisherige Wirkungsstätte und zog ebenfalls weg.

Der neue Imam wusste natürlich von den unschönen Vorkomm-nissen in der Vergangenheit. Er übernahm seine neue Gemeinde und lebte ihr vor, wie man trotz unterschiedlicher Meinungen, nicht religiös zu sein und nicht das Gebet in der Moschee zu suchen, respektvoll miteinander umgehen kann.

Nach und nach wurde so eine neue , vielschichtige, soziale Ebene in dem Dorf geschaffen und es kam zu keinen bösartigen Ausschreitungen mehr.

H.L.Marionettte
zuletzt bearbeitet 12.07.2017 08:51 | Top

   

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